Während andere Untersuchungen auf Erbkrankheiten ( HD, Augenerkrankungen, etc.) schon lange Pflicht bei Zuchthunden sind, waren die Taubheitsuntersuchungen beim Dalmatiner lange Zeit freiwillig. Die erbliche Taubheit beim Dalmatiner ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich die VDH Dalmatiner Vereine diesem Problem gestellt haben und nicht versucht haben, dieses Problem zu verschweigen oder abzuschwächen. Der Rasse des Dalmatiners ist ein Großteil des heutigen Wissens über angeborene, vererbte Taubheit zu verdanken.

Im Jahre 2016 werden mittlerweile über 40 Hunderassen auf Taubheit getestet.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde schon ein Zusammenhang zwischen der angeborenen Taubheit und der Pigmentation von Fell und Augen beschrieben, vor allem natürlich bei blauäugigen Hunden mit weißem Fell. Geforscht wurde seit diesem Zeitpunkt mal mehr und mal weniger, allerdings wurde im letzten Jahrzehnt eine ganze Reihe von Untersuchungen vorangetrieben. Forscher in aller Welt haben sich viel Mühe gegeben, leider mit mäßigem Erfolg, da wohl die Defekt-Gen-Konstellation doch komplizierter zu sein scheint, als bisher angenommen.
Es gibt zwar mittlerweile viele Erkenntnisse, die aber für die praktische Zucht bisher nicht sonderlich brauchbar sind. Seit vielen Jahren ist es den VDH Dalmatiner Züchtern nur noch gestattet, mit getesteten, beidseitig hörenden Elterntieren zu züchten. Die prozentuale Taubheitsrate ist allerdings nicht wie erwartet extrem gesunken. Obwohl nun auch sämtliche Würfe audiometrisch getestet werden müssen, sind auch diese Ergebnisse kaum verändert.

Die angeborene Taubheit tritt hauptsächlich bei Hunde- und Katzenrassen mit weißer Pigmentation auf. Dalmatiner mit blauen Augen sind statistisch stärker von Taubheit betroffen als solche mit braunen Augen. Die Ursache für diese Form von Taubheit liegt in einer Degeneration von Anteilen des Innenohrs. Bei einem gesunden Tier sind die für die Taubheit hauptsächlich betroffenen Innenohranteile mit einem Rasen von Haarzellen besetzt. Diese haarähnlichen Fortsätze dienen der Aufnahme und Verarbeitung von akustischen Reizen. Im Gefolge von komplexen Mechanismen, bei denen Pigmentzellen eine Rolle spielen, degenerieren diese Zellen und werden letztendlich zerstört. Damit fehlen dem Tier die „Antennen„ um Geräusche aufzufangen und an das Gehirn weiterzuleiten.

Es gilt als gesichert, dass die Ursache der Innenohrdegeneration erblich ist. Trotzdem ist es bisher nicht gelungen, den exakten Erbgang zu definieren. Dass es sich also um einen noch ungeklärten Erbgang handelt, ist allgemein bekannt, wobei Tiere mit weißem Fell vermehrt von Taubheit betroffen sind. Es gibt aber verschiedene Erbfaktoren, die eine weiße Fellfarbe bewirken und nicht alle diese Gene sind mit Taubheit verbunden. Ein Pigmentations-Gen, das mit Taubheit verbunden sein kann, ist der Merle–Faktor und das Scheckungs–Gen, wobei das Risiko für einen Hördefekt mit zunehmendem Weißanteil in der Fellfarbe steigt.
Heute ist bekannt, dass Taubheit vermehrt auftritt, wenn auch nur ein Elternteil einseitig taub ist. 16 – 35% der Nachkommen aus dem Wurf werden voraussichtlich einseitig und 11 – 13% beidseitig taub sein. Die Zucht mit beidseitig hörenden Elterntieren bringt allerdings auch nach wie vor immer wieder taube Welpen. Auf der anderen Seite können aber auch zwei taube Elterntiere sowohl tauben als auch hörenden Nachwuchs hervorbringen.
Da die Taubheit vermutlich durch mehrere Gene verursacht wird, wird es fast unmöglich sein, diese Defekt-Gen-Kombination aus den betroffenen Tieren herauszuzüchten.

Vererbung von Taubheit in Verbindung mit dem Scheckungs-Gen wird also polygenetisch sein oder beinhaltet entweder unvollständige Ausprägung oder Durchdringung, oder auch eine Kombinationen davon.
Molekular–genetische Studien zur Taubheit bei Menschen und Mäusen gehen davon aus, dass die Taubheit von einem Gen verursacht wird, das für die Regulierung der Scheckungs–Gene zuständig ist. Bestätigt wird dies durch weitere Feststellungen beim Dalmatiner.

Platten-Hunde und Taubheit 
Unter einer Platte versteht man beim Dalmatiner einen großen schwarzen oder braunen Fleck beim neugeborenen Welpen, der normalerweise völlig weiß ist; Platten sind im Zuchtstandard des Dalmatiners mittlerweile erlaubt. Die Platten sind vermutlich Folge schwacher Ausprägung des extremen Scheckungs–Gens, was zu einem Versagen beim Überdecken der darunterliegenden Fellfarbe führt. Dalmatiner mit Platten sind statistisch gesehen weniger von Taubheit betroffenen als diejenigen ohne Platten.

Blauäugige Hunde und Taubheit
Wenn das extreme Scheckungs–Gen besonders stark ausgeprägt ist, wird das braune Pigment in der Iris unterdrückt, was blaue Augen hervorbringt (und häufig das Fehlen von Pigmenten im Tapetum lucidum), und die Melanozyten in der Stria vascularis der Cochlea werden unterdrückt, was zur Taubheit führt.

 

© Karin Bednorz 11/2006